Musa as-Sadr:

Plakate mit dem Portrait von Musa as-Sadr sind in den schiitischen Wohngebieten der libanesischen Städte und Dörfer häufig zu sehen, steht er doch am Anfang des schiitischen Erwachens im Libanon.
Geboren in der iranischen Stadt Ghom, zog er nach Beendigung der Grundschule nach Teheran, wo er den Grad eines Gelehrten (faqih) erlangte. Danach kehrte er in seine Heimatstadt zurück, wo er eine Zeitschrift gründete und in verschiedenen Instituten Islam lehrte. 1960 erging an ihn der Ruf, im Südlibanon die Nachfolge des drei Jahre zuvor verstorbenen islamischen Oberhauptes der dortigen Schiiten zu übernehmen. Im Gegensatz zum Iran, wo die Schiiten die Bevölkerungsmehrheit bilden, waren sie im Libanon eine unterprivilegierte Gruppe, die in sozialer, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht weit hinter Christen und Sunniten, den beiden anderen großen Bevölkerungsteilen, lagen. Die Schiiten verdingten sich in ihrer großen Mehrheit als einfache Landarbeiter und Taglöhner.

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Dieses Foto befindet sich im Büro Ali Hamdans in Beirut. Seine Qualität hat aufgrund der Vergrößerung gelitten.

Musa-as-Sadr begann, neben seinen religiösen Aufgaben, sich im sozialen Bereich zu betätigen. Er gründete soziale Institutionen, Berufsschulen, Krankenhäuser und Zentren zur Bekämpfung des Analphabetentums. Noch im Jahr seiner Ankunft im Libanon rief er zusammen mit dem katholischen Erzbischof Grigoire Haddad die „Soziale Bewegung“ ins Leben. 1962 nahm er an einem islamisch-christlichen Dialog teil und hielt während der Osterfeierlichkeiten eine Rede in der Kirche eines christlichen Ordens. Er genoss großes Ansehen in allen geistlichen und politischen Lagern, besonders wurde er aber von Christen ob seiner Toleranz und Offenheit ihnen gegenüber geschätzt.
1969 wurde er zum Präsidenten des neugegründeten Hohen Islamischen Schiitischen Rates (SISC) gewählt. Die Bevölkerung verlieh ihm in der Folge den Ehrentitel „Imam“. 1971 richtete er ein Komitee ein, das alle südlibanesischen geistlichen Oberhäupter, d. h. sowohl Muslime als auch Christen, einschloss, um politischen und sozialen Aktivitäten effektiver nachgehen zu können. Am 18. März 1974 begann er mit Protestaktionen gegen die Regierung wegen der Vernachlässigung der ländlichen Gebiete und gründete die „Bewegung der Entrechteten“. Ihr Ziel sollte „kontinuierlicher Kampf bis es keine Entrechteten mehr im Libanon gibt“, sein. Während des Bürgerkrieges gründete er die Amal-Bewegung, ein militärisch ausgerichteter Flügel der „Bewegung der Entrechteten“. Schon frühzeitig warnte er vor einem Einmarsch der Israelis in den Südlibanon. Sein Herzenswunsch war die Befreiung Palästinas, die nur durch die Hände der Gläubigen erfolgen sollte.“Wenn wir keine anderen Waffen haben, dann kämpfen wir eben mit Nägeln und Zähnen, das Wichtigste ist, dass wir die ‚psychologische Mauer‘ durchbrechen“, war einer seiner bekannten Aussprüche, und nahezu legendär sein Vergleich mit Vietnam: „Israel ist nicht stärker als die USA und wir sind nicht schwächer als die Vietnamesen“.
(wie mir Ali Hamdan, der Leiter des Außenpolitischen Amtes der Amal-Partei erzählte.)
Imam Musa as Sadr ist nicht nur der Gründer der Amal, er gilt auch als Vater der schiitischen Emanzipation im Libanon. Der heute legendäre Generalsekretär der Hisbollah, Hassan Nasrallah schwärmte schon als Kind für Musa as Sadr und als der Bürgerkrieg 1975 ausbrach, trat der damals 15 jährige in die Amal-Bewegung ein. Im August 1978 verschwand Imam Musa as Sadr während einer Reise durch Libyen und ward nie wieder gesehen. Am 5. November 1980 hatte sich der damalige deutsche Außenminister Genscher bei Leiter des libyschen Auslandsgeheimdienstes Belgassem nach dem Verbleib des Verschwundenen erkundigt. Der Imam habe, so der Geheimdienstchef, Libyen am 31. August 1978 verlassen und mit zwei Begleitern auf dem Flugplatz in Rom angekommen sein und erst danach verschwunden sein. Der deutsche Botschafter in Rom, Arnold, berichtete am 28. November 1980, dass die italienischen Behörden bereits 1978 zu dem Schluss gekommen seien, dass es keinerlei Beweise für die Ankunft Musa as Sadrs in Rom gebe. Wie dem auch sei, die Wahrscheinlichkeit spricht für Gaddafi als Täter, für die Amal steht er als der Schuldige fest. Im Februar 2011 tauchten im Zusammenhang mit dem Aufstand in Libyen Meldungen auf, wonach Musa as-Sadr noch als Gefangener in Libyen am Leben sein soll.
Aber vielleicht bringt der politische Wechsel in Libyen endgültig Klarheit.