Atommacht Iran, eine Gefahr für die Welt?

Nach dem mageren Ergebnis der Afghanistan-Konferenz in London, die trotz geplanter Truppenaufstockung, Zweckoptimismus und Durchhalteparolen nur mehr darauf ausgerichtet war, den Invasoren einen Abzug ohne allzu großem Gesichtsverlust zu ermöglichen, rückt der Iran wieder verstärkt ins Blickfeld der „westlichen Wertegemeinschaft“. Zudem feierte der islamische Gottesstaat am 11. Februar den 31. Jahrestag der erfolgreichen Revolution.
Hauptvorwurf: Der von den USA zum Schurkenstaat gestempelte Iran, vor allem aber sein Präsident, so der Hauptvorwurf, betrieben den Bau einer Atombombe.
Ob die westlichen Vorwürfe stimmen oder ob es dem Iran wirklich nur um die friedliche Nutzung der Nuklearenergie geht, lässt sich von außen jedenfalls nicht beurteilen.
Aber unterstellen wir einmal, rein hypothetisch, die islamische Republik würde tatsächlich in den Besitz von Atomwaffen gelangen. Was wären die Konsequenzen? Würde Teheran die Lunte zünden und das Pulverfass Nahost zur Explosion bringen?
Werfen wir zunächst einen Blick zurück zum Beginn des atomaren Zeitalters. Im Jahre 1945, nur wenige Monate nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht, gelang den USA die Herstellung der ersten Atombomben. Am 6. August 1945 wurde die erste ihrer Art über der japanischen Stadt Hiroshima abgeworfen. Noch heute prallen die Meinungen darüber aufeinander, ob dieser erste Einsatz, wie die US-Amerikaner behaupten, vielen ihrer Soldaten das Leben gerettet hatte, da die Japaner zu diesem Zeitpunkt noch nicht kapitulationsbereit gewesen wären, oder aber, so die Meinung eines Großteils der Historiker, die Japaner wären schon kriegsmüde gewesen und die Kapitulation nur mehr eine Frage von wenigen Tagen gewesen. Wie immer dieser erste Einsatz einer Atombombe zu bewerten ist, der zweite, nur drei Tage später auf Nagasaki, war jedenfalls vorsätzlicher Massenmord und unbestreitbar eines der größten Kriegsverbrechen überhaupt, denn da war die Kampfbereitschaft der Japaner mit Sicherheit schon erloschen.
Im Sommer 1949 stieg die Sowjetunion zur zweiten Atommacht auf.
Es gilt heute als unbestritten, dass es der Hochrüstung, vor allem der atomaren Bewaffnung beider militärischer Blöcke, die sich in der Zeit des Kalten Krieges gegenüberstanden, zu verdanken war, dass es zu keiner großen kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen war. Das „Gleichgewicht des Schreckens“ hatte, so makaber es auch klingen mag, uns Europäer die längste Friedensperiode beschert.
Indien und Pakistan, zwei bedeutende Schwellenländer, verfeindet seit dem Abzug der britischen Kolonialmacht, haben seit dem Zeitpunkt, als beide Staaten über atomare Bewaffnung verfügten, keine Kriege mehr gegeneinander geführt. Auch hier hatte das „Gleichgewicht des Schreckens“ friedensstiftende Wirkung.
„Vis pacem, para bellum“, (Willst du den Frieden, bereite den Krieg vor), hatten schon die alten Römer erkannt, das heißt, nur ein gut gerüsteter Staat kann hoffen, nicht überfallen zu werden. Im Nahen Osten gibt es aber nur eine Atommacht: Israel. Aber auch ohne atomare Bewaffnung war der Judenstaat, seinen Nachbarn und potentiellen Gegnern militärisch weit überlegen und dies verführte ihn so zu kompromissloser Haltung gegenüber allen, auch noch so berechtigten arabischen Forderungen und verhinderte einen vernünftigen Ausgleich. So geht der Siedlungsausbau im Westjordanland ungebremst weiter, während die USA und ihre Satrapen gleichzeitig alles unternehmen, um das militärische Ungleichgewicht in der Region aufrecht zu erhalten.
Verfügte aber ein zweiter Staat in der Region über atomare Bewaffnung, so würde dieser sie wohl kaum zum Einsatz bringen, wüsste er doch um die verheerende Wirkung solcher Waffen und müsste zudem mit einem zumindest ebenso verheerenden Gegenschlag rechnen. Israel aber wäre zu einer toleranteren und weniger rassistischen Politik gezwungen. Abgesehen von obigen Erwägungen darf nicht übersehen werden, dass im Iran die Schiiten mit 85-90% wohl in der Mehrheit sind, in der islamischen Welt aber eine eher kleine – und in der Vergangenheit immer wieder verfolgte Minderheit darstellen, wie z. B. das Schicksal der Schiiten im Irak zur Zeit Saddam Husseins beweist.
Der Iran selbst war mehrmals Opfer ausländischer Aggressionen Über Jahrhunderte hinweg stand das Land unter Fremdherrschaft, erst seit 1750 standen einheimische Persönlichkeiten an der Spitze des Staates. Im ersten Weltkriegen wurde der Iran 1915 von britischen und russischen Truppen besetzt. Nach der russischen Revolution zogen sich die Russen zurück und die Briten versuchten, den Iran in eine ihrer Kronkolonien umzuwandeln, was am entschlossenen Widerstand der Bevölkerung scheiterte.
Reza Khan, der sich 1926 zum Schah krönen ließ, vollzog eine politische Hinwendung zu Deutschland.
Im Zweiten Weltkrieg respektierten die Alliierten zunächst die Neutralität des Iran, doch mit Beginn des Russland-Feldzuges änderte sich die Situation. Am 24. August 1941 marschierten Briten und Russen, etwas später auch US-Amerikaner, in den Iran ein, um die Nachschublinien der USA in die UdSSR zu sichern. Reza Schah wurde zur Abdankung gezwungen und nach Südafrika ins Exil deportiert. Nachfolger wurde sein Sohn Mohammed Reza. Der besetzte Iran musste am 9. September 1943 den Achsenmächten den Krieg erklären. Nach dem Krieg verließen die Besatzungstruppen den Iran, wirtschaftlich und politisch blieb er aber im Schlepptau der angelsächsischen Mächte.
Nachdem die Regierung Mossadegh die Ölindustrie, die überwiegend in den Händen der britischen BP gelegen war, verstaatlicht hatte und es zu einem Boykott iranischen Öls gekommen war, stellte sich der Schah gegen seinen Regierungschef. Die Bevölkerung unterstützte aber Mossadegh und der Schah musste das Land verlassen. Erst ein von der CIA unterstützter Putsch holte den Schah wieder zurück.
In der Folge leitete Mohammad Reza Pahlavi zwar die sogenannte „Weiße Revolution“ zur Modernisierung des Landes ein, verlor aber zunehmend den Kontakt zum Volk. Einerseits galt er als Lakai der US-Amerikaner, andererseits sorgte sein westlicher Lebensstil, sein Stammplatz in der internationalen Regenbogenpresse, für Ärger und Empörung bei der islamischen Geistlichkeit.
1979 fegte die islamische Revolution Schah Reza Pahlavi, und sein Regime hinweg, Ruhollah Chomeini kehrte aus dem französischen Exil zurück, etablierte sich als oberste Autorität des Staates und wandelte das Kaiserreich in eine „Islamische Republik“ mit stark antiamerikanischer Ausrichtung.
Die USA hatten einen treuen Gefolgsmann und ihren Einfluss im Iran verloren.
Dazu kam die Gefangennahme amerikanischer Botschaftsangehöriger durch die Revolutions-garden, die von Washington als schwere Demütigung empfunden werden musste. Ein anschließender Befreiungsversuch war kläglich gescheitert.
Was lag also näher, als den Angriff Saddam Husseins auf den, wie er glaubte, revolutionsgeschwächten Iran zu unterstützen? Saddam hatte noch eine Rechnung mit seinem ungeliebten Nachbarn, der gemeinsam mit den USA 1974 einen Aufstand der irakischen Kurden unterstützt und ihn zu weitgehenden Konzessionen gezwungen hatte, offen.
Für die US-Amerikaner bot sich die einmalige Chance, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, ohne selbst einen eigenen Soldaten opfern zu müssen: Sie konnten den alten Feind Irak gegen den neuen – und wie sie glaubten, gefährlicheren - die islamische Republik, unterstützen.
So wie aber die Kurden gegen die Bagdader Zentralregierung nicht gewinnen durften, so durfte auch Saddam Hussein gegen den Iran nicht gewinnen. Er wurde zwar von den USA mit Kriegsmaterial unterstützt, das ausreichte, um die zahlenmäßige Überlegenheit der iranischen Truppen auszugleichen, nicht aber, um einen entscheidenden Sieg zu landen. Eine Schwächung beider Kriegsparteien war das erwünschte Ziel.
In dem achtjährigen Ringen verloren rund 1,000.000 Menschen ihr Leben.
Dass die US-Amerikaner Saddam Hussein auch Giftgas geliefert hatten, und dieser es nicht nur gegen iranische Soldaten, sondern auch gegen die eigene kurdische Zivilbevölkerung bei Halabdscha einsetzte, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Der Krieg, der, wie die Strategen in Washington gehofft hatten, die Islamische Republik Iran schwächen sollte, hatte sein Ziel nur in materieller Hinsicht – und das nur vorübergehend – erreicht.
Der iranische Gottesstaat hatte seine Feuertaufe – und letztlich damit auch seine Legitimation – nicht nur in der erfolgreichen Revolution, die ein von der stärksten Militärmacht der Welt gestütztes dekadentes System hinweggefegt hatte, sondern noch mehr in der acht Jahre dauernden mörderischen Auseinandersetzung gegen den Irak erhalten.
Auch der weitaus größte Teil jener Bevölkerungsgruppe, die dem neuen Regime skeptisch gegenübergestanden war, stellte sich hinter die neuen Machthaber.
Zudem führte die internationale Isolation des Iran und der daraus resultierende Mangel an Nachschub und Ersatzteilen zum Aufbau einer eigenen Rüstungsindustrie, die heute zahlreiche, selbst (weiter-)entwickelte Waffensysteme in Serie produzieren kann. Der bislang letzte Erfolg iranischer Wissenschaftler gelang am 3. Februar mit dem Start der neuen Mittelstreckenrakete „Sadschil 2“ mit einer ungefähren Reichweite von 2.000 Km. Der islamische Gottesstaat ist trotz Krieg und Boykott zu einer selbstbewussten Regionalmacht aufgestiegen, die aufgrund ihrer leidvoller Erfahrungen ein ausgeprägtes Schutzbedürfnis entwickelt hat.
Dass es auch im Iran, wie in allen Staaten der Welt, Personen, Gruppen und Kreise gibt, die in Opposition zum Regime stehen, steht außer Frage. Ebenso das Recht eines jeden Staates, sich sowohl gegen äußere als auch gegen innere Feinde zur Wehr zu setzen. Gerade wir Deutsche sollten aber mit Kritik zurückhaltend sein, werden doch in unseren Staaten Menschen verfolgt und zu langjährigen Kerkerstrafen verurteilt, die weder demonstrieren, noch zu einem Umsturz aufrufen, sondern einfach Meinungen zu historischen Fragen vertreten, die der offiziellen Geschichtsschreibung widersprechen.
Wir Europäer sollten die Islamisierung in unseren eigenen Ländern zu bekämpfen, nicht aber ein politisches System in einem Staat, der keine wie immer geartete Bedrohung für uns darstellt – weder mit noch ohne Atombombe - nicht die Absicht hat, sein politisches System zu exportieren und der speziell uns Deutschen gegenüber immer freundschaftliche Gefühle gehegt hatte und nach wie vor hegt.
Dr. Herbert FRITZ